Prolog
Inhalt
Zum Aufgalopp – Ein kleines Märchen aus der juristischen Lehre
Es war einmal vor nicht allzu langer Zeit, jenseits des Gesetzes- und Paragrafenwaldes, bei jenem Wald, in dem man vor lauter Paragrafen den Wald nicht mehr sieht, nahe der ständig sprudelnden Gesetzesquelle, die sich im Verlauf ihres Flusses zu einer alles mitreißenden Flut aufbaut, gleich hinter dem mächtigen Normenmassiv mit den vorgelagerten Novellinnen, fernab im Zauberland „Juristan“. Auf einer kleinen Lichtung trafen sich wie jedes Jahr ein Mal die juristischen Fachbereichsgrößen zu ihrem abendlichen Symposium. In Grüppchen standen sie dicht gedrängt ums lodernde Lagerfeuer, in angeregtes Gespräch vertieft.
Plötzlich ein hüstelndes Räuspern: „Sind wir nun vollzählig? – Können wir nun mit unserer Sitzung beginnen?“, fragte der purpurrot bemäntelte Magnifizenzissimus. Die juristischen „Spektabilitäten“, die Damen und Herren „Rationalitäten“ und „Kapazitäten“, die großen und kleinen „Gesetze“ mit ihren Paragrafen-, Absatz- und Satzkindern an der Hand, die steife juristische „Methodik“, die rigide „Logik“, das schlanke „Es könnte – dann müsste – also – Gutachten“, die elegante „Subsumtion“, der chamäleongleich schillernde „Lebenssachverhalt“, die verstaubte „Lehre“, die durchgestylte „Rechtsprechung“ und das aufgedonnerte „Schrifttum“ unterbrachen ihren hochkomplexen Gedankenaustausch hoch über den Wolken der schüchternen „Normalität“.
Alle erwarteten den immer gleichen jährlichen Rechenschaftsbericht des großen Vorsitzenden „Magnifizenzissimus“. „Über alles kann man reden, aber nicht über 7 Minuten“, rief keck der ganz entgegen seiner eigenen Gewohnheit recht mutige „Gruppenunterricht“ in die Runde, „wir wollen doch möglichst rasch zum anwaltlich gesponserten Trink- und Schmausgelage kommen.“ Die kurzzeitige Ruhe im vorfreudigen Gedanken an das anwaltliche „Tischleindeckdich“ wurde jäh unterbrochen. Eine mausgraue Figur in ausladender Körperfülle drängte sich nach vorne und begann mit krokodilstränenerstickter Stimme und übertriebenen Trauergesten: „Ich, die Große juristische Vorlesung, prominentester Vertreter aller Lehrmethoden, habe Euch die bedauernswerte Nachricht zu überbringen, dass gemunkelt wird, „Frau von und zu Rechtsdidaktik“ sei letzte Nacht auferstanden von den Toten.“ „Oweiowei“, entfuhr es den juristischen W(H)ürdenträgern und Scheinbarkeiten. „Wie beklagenswert, nein, wie außerordentlich beklagenswert“, murmelte die „Große und Kleine Vorlesung“ mit gesenktem Haupt, „sie war doch seit Jahrhunderten tot!“. „Wir konnten doch predigen, wie wir und nicht die Studierenden es wollten, bis die Hörsäle leer und die Repetitorenräume voll waren.“
„Hach, ist das herrlich?“, rief die „Rhetorik“, wie ebenfalls gerade zum Leben erweckt. „Na, auf jeden Fall“, assistierten die „Infografik“ und der „Powerpointer“ grinsend, worauf eine verbale Schlacht zwischen den analogen Traditionalisten und den wenigen digitalen Modernisierern in der Fakultät entbrannte. „Was will die denn wieder in unserer Lehre?“, fragte das „Kolleg“ im gewohnten Grabgesang, wurde aber unterbrochen von einer Truppe „Frontaler“, die sich lauthals mit den „Dialogern“ anlegte. „Bei mir hat die nichts zu suchen“, frotzelte das „Seminar“. „Gesetze“ und „Sachverhalte“ diskutierten ungerührt weiter über Unter- und Überordnung und unzählige „Subsumtionen“, schrieen dabei so gequält durcheinander, dass dem „Magnifizenzissimus“ Hören und Sehen verging.
Es wäre wohl noch ewig so weitergegangen, wäre nicht ein Schatten auf die Lichtung gefallen. Eine majestätische Frauengestalt stand in voller Schönheit am Fuße der Novellinnen: Ihre Majestät, die „Rechtsdidaktik“! Ehrfürchtig scheinheilig verbeugten sich die juristischen „Koryphäen“. „Oh Mutter aller Lehren vom richtigen Lehren, von Vorlesungen, Unterricht, Seminaren, Kollegs und Tutorien“, hob die „Große Juristische Vorlesung“ heuchlerisch an, „wie haben wir Dich vermisst all die Jahre!“ „Nicht unflott“, flüsterte es aus der Ecke der kleinen bescheidenen Schar der „Dialogischen Lehrformen“, der „Gerichtlichen Exkursionen“, des „Gruppenunterrichts“ und der verkümmerten „Referate“. „Wie schön sie ist!“ Ein paar junge Tutorinnen fielen sogar ob der Prominenz in leichte Ohnmacht.
Mit wohltönender Stimme, gesetzter Mimik und Gestik sprach die „Rechtsdidaktik“: „Streitet hier nicht sinnlos herum! Tut das, wozu ihr geschaffen wurdet. Paart euch miteinander, vermehrt euch, geht hinaus in die Hörsäle zu euren Studenten und Studentinnen, füllt die toten Gesetze mit Leben und lehrt mit Freude und Leidenschaft!“
„Sie hat Recht, vollkommen Recht“, rief die verstaubte „Lehre“. „Die Weisheit eines ganzen didaktischen Lehrbuchs in einem Satz!“, kommentierte die „Literatur“.
„Moment mal“, intervenierte da die immer tonangebende „Auslegung“, „was soll das denn alles bedeuten?“. „Bestimmen wir doch erst einmal, was „Gesetz“, „tot“, „Leben“ und „füllen“ eigentlich heißen soll“, sekundierte die dralle „Definitionslehre“. Und die hintersinnige „Teleologie“ fragte langgezogen und ketzerisch nach dem „telos“ des Ganzen.
„Schluss mit dem Gezeter“, donnerte da die neu inspirierte „Lehre“, „machen wir uns ans Werk. Lasst uns beginnen, ein jeder nach seiner Bestimmung, zum Wohle der Studentinnen und Studenten.“
„Das ist ein weites Feld“ machten sich da die Stimme senkend – erstmalig, die „Professores“ aus Hinterwalde lauthals bemerkbar, „da könnte ja jeder kommen! Und wo kämen wir hin, wenn wir das tradierte juristische Wissen anders als in frontalen Vorlesungsmonologen unverstehbar und an den Studenten und Studentinnen vorbei anders als in Kirchen predigten, bist die Hörsäle leer sind?“
Die Frau „Von und zu Rechtsdidaktik“ zog sich geschockt ob der professoralen Einheitsfront zurück.
Und wenn sie nicht gestorben sind, so lehren sie noch heute.
Wozu? – Die Leitenden Gesichtspunkte des BLOGS – Was ist von einem Juradidaktikblog zu erwarten?
- Zunächst einmal: Sie können als juradozentischer, aber auch als jurastudentischer Leser (Didaktik ist die Lehre vom Lehren und Lernen) schlicht Ihren Spaß haben. Juraphilister werden sich bekreuzigen: Wie, an juradidaktischen Gedanken seinen Spaß haben? In einem BLOG? Sie fürchten die Banalität, sie rufen nach Tiefe, nach Wissenschaft, nach Theorie, System und Dogmatik, statt von den besten Juradidaktikern – den Repititoren – zu lernen, dass Lehren und Lernen von Jura nur über Spaß und Vergnügen bestmöglichen Erfolg haben kann. Hier können Sie dieses Vergnügen anfassen. Es ist noch nie über juristische Lehre so heiter und beschwingt geschrieben worden, nicht zum strengen Studieren, nicht zum hintereinander Durchlesen, sondern zum Anklicken und Genießen, namentlich im Spazierengehen, auf Reisen, in Bahn und Bus oder in beruflichen Pausen. Den Kopf mit Freude und Lust hinein – und immer wieder mit einer Bereicherung an didaktischer Erkenntnis herausstrecken, kurz innehalten und eine andere von den 34 FRAGEN anklicken.
- Der BLOG enthält gedankliche Bruchstücke aus dem Innenleben eines alterfahrenen Juradozenten. Ich möchte mit Ihnen über die juristische Didaktik nachdenken nach dem Motto: „Die Juristerei kommt! Die Lust bleibt!“ Und ich werde das Studentenlamento widerlegen: „Wenn der Juradozent durch die Tür den Hörsaal betritt, flieht die Lust durch das Fenster!“ Ich werde berichten auch von den Leiden, viel mehr aber von den Freuden der „Kunst des juristischen Lehrens“ auf beiden Seiten des Katheders. Von dem, was alles passiert im juristischen Lehr-Lern-Prozess bei dem Versuch, den notwendigen Widerspruch von „Verschulung“ und „Freiheit“ zu akzeptieren und auszutarieren. Als Dozent habe ich Jahrzehnte mit Generationen von Studenten, aber eben auch mit Generationen von Dozenten gelebt und sie an die Hand genommen. Und sie als Poltergeister, wehleidige „Jammerpötte“, kooperative Kollegen, selbstständige Persönlichkeiten, rücksichtsvolle Partner, kollegiale Freunde, andererseits auch als Neider und Missgünstlinge, leider auch als Drückeberger und Sturköpfe erlebt. Ich weiß, wovon ich rede!
- Dieser BLOG wendet sich nicht an Juraprofessoren. Ihnen vermag er nichts Neues zu sagen. Der rechtsdidaktische Menschenverstand, der verfolgt die juristischen Lehrstühle seit langem, aber die Professoren sind meist schneller. Ich will mit meinem BLOG versuchen sie einzuholen. Ich wende mich mit ihm an die Vielen, die – ob an Universitäten, Fachhochschulen, Akademien, Berufsschulen oder Gymnasien – inmitten ihrer juristischen Lehre und ihrer Sorge des Lehralltags den Versuch nicht aufgeben, sich im Wege selbstständiger Fortbildung mit den ewigen Fragen des Lehrens und Lernens in den Rechtswissenschaften auseinanderzusetzen. Er wendet sich an die, die die Annahme nicht plump übernehmen, Lehren könne man weder lernen noch lehren.
- Ich will mit meinem BLOG helfen, eine bescheidene „Berufswissenschaft des juristischen Lehrens“ zu formulieren. Der Endzweck der „juristischen Lehrkunst“ ist neben der selbstverständlichen Wissens-, Methoden- und Verständnisvermittlung, selbstständige junge Menschen zu bilden, auszubilden, Vergnügen und Anteilnahme an Jura zu erwecken und Verständnis an dem zu erzeugen, was unsere Juristerei im Innersten zusammenhält. Ich möchte aus Ihnen einen leidenschaftlichen, sozial-integrativen, ausschließlich am Lernerfolg „Ihrer“ Studenten orientierten Juradozenten machen. Das muss man als guter juristischer Dozent, als gute Juradozentin alles schaffen. Und man kann es schaffen! Und man muss es schaffen!
- Das Problem, auf das ich immer wieder gestoßen bin, stellt sich auf sehr einfache Weise: Ich habe nämlich festgestellt, dass sich jeder Juradozent im Laufe seines juristischen Lehrens, häufig ohne es zu wissen, von einer instinktiven Didaktik leiten lässt. Diese „Ur-Didaktik“ des Dozenten bildet sich bald so, bald anders, mehr zufällig, je nach Interesse, Lehrvorbild, Temperament, biografischer Erfahrung, Neigung oder Talent. Sie fußt vor allem auf seinen Anlagen, seiner Erziehung, den Traditionen des ihn sozialisierenden und prägenden Milieus, seinen politischen Überzeugungen, seiner Persönlichkeit und nicht zuletzt auf seinen Vorurteilen. Die Feinde oder Ungläubigen der Didaktik im Juradozentenlager, die sich auf die „Didaktik-entspringt-dem-gesunden-Menschenverstand-Einfalt“, auf das „Man-hat-eben-Talent-oder-nicht–Argument“ oder die „Didaktik-kann-man-nicht-lernen–Meinung“ berufen, sind sich eben gar nicht bewusst, dass auch ihr Lehren unbewußt durchsetzt ist von Ideen, Meinungen und Erfahrungen anderer „Didaktiker“. Sie vergessen, dass niemand lehren kann ohne Didaktik! Meine Schlussfolgerung lautet: Man hat als Dozent überhaupt nicht die Wahl, sich mit Didaktik zu beschäftigen oder es bleiben zu lassen. Man hat es nur in der Hand, sich von einer unbewussten, laienhaften, instinktiven, ungeschulten juristischen Didaktik auf das zufällige Geratewohl und darum meist von einer sehr schlechten Didaktik dirigieren zu lassen oder sich für eine bewusste juristische Didaktik anzustrengen. Dann muss man aber bereit sein, sein Lehren zu hinterfragen und auch Erfahrungen anderer Dozenten zu Rate ziehen, um durch sie zu einer eigenen Überzeugung vom eigenen guten juristischen Lehren zu gelangen. Das ist das WOZU, Ziel, Sinn und Zweck meines BLOGS: Werden sie ein guter, ein sehr guter Juradozent!
- Als ich damit anfing, über Rechtsdidaktik zu schreiben, erklärte mir ein erfahrener Kollege: „Lass es! Das ist unmöglich.“ Als ich ihn fragte warum, antwortete er: „Weil jede Lehrstunde einmalig ist.“ Das stimmt natürlich und stimmt auch wieder nicht. Selbstverständlich ist jede Lehrstunde einmalig. Doch von einer höheren Warte aus betrachtet, lassen sich sowohl bestimmte Gemeinsamkeiten als auch gemeinsame Fallstricke erkennen. Zudem gibt es eine Menge Grundanforderungen, die bei jeder Lehrveranstaltung als Erfolgsmesser dienen, egal wann und wo und was und vor wem Sie lehren. Hier geht es um das WIE! Was können Sie tun? – Sie sind gerade dabei, es zu tun! Wenn Sie in diesem BLOG gestöbert haben, seine Anregungen, die Fragen und Antworten aufgenommen und einiges auch einmal ausprobiert haben, sind Sie auf dem besten Wege, professionell und „rechtsdidaktikkundig“ Jura zu lehren. Am Ende denken Sie hoffentlich: „So hast Du es bisher nicht gesehen. Interessant! Ich werde versuchen, ab jetzt Recht und Gesetz für meine Studenten begreif-, lehr- und lernbarer zu machen!“
- Mit der guten Rechtsdidaktik ist es ein bisschen wie mit dem Geld und dem Selbstvertrauen: Viele wollen es, und viele sind der Ansicht, zu wenig davon zu haben. Klar: Es gibt auch diejenigen, die vor „guter Rechtslehre“ zu platzen scheinen. Wer aber meint, bei ihnen sei der Schlüssel für das Geheimnis spannender und erfolgreicher Lehre zu finden, sucht meist vergeblich – entpuppen sich jene Leute bei genauerem Hinsehen doch allzu oft als Selbstdarsteller. Das einzige Geheimnis, das sie geknackt haben, ist, wie man so wirkt, als hätte man gute Rechtsdidaktik. – Was hat es mit der Rechtsdidaktik auf sich? Was macht sie zu einem juradozentischen Sehnsuchtszustand, den sich alle wünschen, von dem aber nur wenige behaupten können, ihn erreicht zu haben? Welche Hindernisse sperren den Weg dorthin? Es ist die Erkenntnis dieses BLOGS, dass es nur die eine beste Lehrkraft für die juristische Ausbildung gibt: Die juristische Didaktik!
- Dass mein BLOG nicht sämtlichen praktischen, schon gar nicht wissenschaftlichen Begehrlichkeiten nach juristischer Didaktik nachkommen kann, ist mir bewusst. Ich habe es auch gar nicht erst versucht. Dennoch musste ich diesen BLOG erstellen. Denn mir ist, als käme erst mit ihm – in Parallelität zu meinem BLOG für Jura Erstsemestler ENTDECKE JURA – meine Dozententätigkeit zum Abschluss. Und ich denke, eine mehr als 25 Jahre hindurch geübte Lehr- und Prüfertätigkeit an der Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen in den fünf Büchern des BGB, in Strafrecht und in ihren jeweiligen Umsetzungsrechten ZPO und StPO sowie meine Berufe als Richter, Staatsanwalt und Repetitor berechtigen mich zu dem hier unternommenen Wagnis.
- Die Kunst der Rechtsdidaktik besteht für mich auch darin, die richtigen Fragen zu stellen. Die Frage ist der Königsweg zum Anderen. Um Antworten zu finden, muss man mit Fragen beginnen. Ich versuche, mich in Sie hineinzudenken und Ihre Fragen zur Rechtsdidaktik zu stellen und zu beantworten, die Sie sich vielleicht nie oder sich nur heimlich gestellt haben, auf dass Sie sich am Ende hoffentlich fragen, warum Sie die noch nie offen gestellt haben. Es sind die Fragen nach der Prüfungsrelevanz der Inhalte, den Leistungskontrollen, dem unverantwortlich schlechten und intransparenten Notensystem, der Normalfallorientierung, der Berufstauglichkeit des Studiums, die Fragen nach den nicht lehrbaren Curricula, den Lehrformen, den studentischen Lernprozessen, den Evaluationen, der Qualitätssicherung durch Leistungsnachweise, den Dialogen mit Nachbarwissenschaften, dem Medieneinsatz, der Methodenlehre … und Sie werden leider noch lange keine Antworten finden, wenn Sie im BLOG nicht weiterlesen. Juristenausbildung wird wenigstens ab und zu diskutiert. Juristische Didaktik weit weniger. Fehlende Regalmeter an Literatur sind dafür die stummen Zeugen. „Juristische Fachdidaktik“ – keiner wagt sich so richtig ran, weil man schnell der Windmacherei gescholten wird. Ich versuche es. Sie fragen 34 mal, ich antworte 34 mal. Sollte, wäre, würde, müsste, hätte, könnte? – LESEN SIE DEN BLOG ZU ENDE!
Wer unsere juristische Lehrwelt begreifen will, muss einen neuen Begriff von Lehrwelt entwickeln, die alte juristische Lehrwelt trügt. Der professorale Konsens ist nicht der Maßstab. In meinem BLOG findet der „neue“ Juradozent seinen Ausdruck und seinen Aufschrei und … seine Gegenliebe.
Ein Briefwechsel, der die Fronten klärt
Ich finde es angebracht, gleich von vornherein über die Gegensätze, Grenzen und Vorurteile Rechenschaft abzulegen, die einem solchen Didaktik Blog gesetzt sind und mit denen er kämpfen muss. Ich hoffe, dass der nachfolgende Briefwechsel, der die Voreingenommenheiten, Ressentiments, ja Feindseligkeiten offenlegt, diese Problematik deutlich macht.
Brief eines von einem Jura-Jungdozenten um didaktische Hilfe gebetenen Jura-Altdozenten – Finden Sie sich in ihm wieder?
Geehrter Kollege!
Dank für Ihren nach didaktischer Hilfe schreienden Brief. Aber leider bin ich als traditioneller Alt-Dozent der falsche Ansprechpartner für Ihre didaktischen Ängste und Nöte, da ich überhaupt kein Verständnis für Ihre Situation aufbringen kann. Nein, ich kann mir Ihre Alpträume in der Tat nicht vorstellen. Spaß am juristischen Lehren? Vorlesung mit einfacher Grundstruktur? Modell eines Unterrichtsentwurfs? Idee für eine didaktische Inszenierung? Allein bei Ihrer Ausdrucksweise „Absaufen im Adrenalinstrom“ laufen mir Schauer über den Rücken!
Mögen ein paar junge neumodische Heißsporne, denen die Show wichtiger ist als das Recht, den getragenen Anzug des herkömmlichen altmodischen Dozenten belächeln: Er hat eine herausragende Funktion im juristischen Geistesleben. Indem er auf allen Putz und neumodischen Medien-Firlefanz verzichtet, schützt er uns vor dem Schwindel. Ich danke Gott, dass Juradozenten selten didaktisch verseucht oder gar amüsant lehren. Vor 2000 Jahren hat König Ptolemäus Euklid gebeten, ihn die Mathematik zu lehren, aber auf einem mühelosen Wege. Euklid erwiderte: „In der Mathematik gibt es keinen Eingang für Herrschaften!“ Gleiches gilt für die der Mathematik doch so verwandte Jurisprudenz. Wer hier Wissen erringen will, wer es mit seiner Persönlichkeit verschmelzen will, muss es Schritt für Schritt in unermüdlichem Ringen hart erarbeiten. Die juristische Wissenschaft kann nur schweren Schaden nehmen, wenn sie auf die Straße der didaktischen Popularisierung hinausgezerrt wird und mit didaktischen Taschenspielertricks repetitorenlike „verkauft“ wird. Rechtswissenschaft ist keine Ware! Sie werfen uns vor, wir könnten nicht elegant und passioniert vortragen? Nein, wir wollen nicht elegant und passioniert vortragen! Wir Juristen sind nun einmal Sachmenschen und keine TV-Moderatoren, wir wollen nicht mit Tricks die Studenten ködern.
Juristische Lehrstunden sind keine Sternstunden und sollen gerade nicht anlockend sein, weil sie den Studenten das Studium nicht zu leicht machen sollen.
Als ein Student einen Kollegen einmal bat, erklärender, verständlicher und weniger komplex zu unterrichten, erwiderte er schnöde, aber zutreffend: „Ich kann nicht wissen, was die Studenten alles nicht verstehen!“ Die Anpreisung „didaktischer Formen“ und „didaktischer Modelle“ ist eine Verfallserscheinung, die den rhetorischen und medienzugewandten Zeiten naheliegt. Wenn Lehrformen, Lehrmethoden und Rhetorik zum Hauptproblem der juristischen Stoffvermittlung erhoben werden, ist das ein Anzeichen für den Beginn einer juristischen Dekadenz. „Speech appeal“? Nein danke! „Elegante und einfache Plauderei?“ Die Juristerei hat leider eine schlechte Eigenschaft: Sie ist nicht einfach, sie ist auch nicht elegant, weder die gelebte Wirklichkeit, noch ihre Spiegelung in den Gesetzen, sie ist im Gegenteil hoch kompliziert und verwickelt. Die Juristerei ist nicht schwarz oder weiß, sondern tausendfarbig.
Hat ein Dozent für irgendein Problem die juristische Lösung gefunden, so kann es passieren, dass er als Wissenschaftler am nächsten Tag auf eine neue, andere, bessere Idee stößt, die die am Vortage gefundene Lösung umwirft, und er muss sich mit „wenn“ und „aber“ mühsam korrigieren, wobei er doch sehr an „Speech appeal“, „Einfachheit“ und „Eleganz“ einbüßen müsste. Dozentische Scharlatane haben es da einfacher: Mit didaktischen Kunstgriffen wird die unangenehme Tatsache der neuen juristischen Idee umschifft; man muss eben „Scheinproblemchen“ auch abtun können zugunsten der „großen“ didaktischen Linie. Tiefe Erörterungen, abzuwägen und zu gewichten sind ihm lästig, zu komplex und zu unelegant. Besser man setzt Fällchen an Fällchen, wie es das Fernsehen so macht, opfert Tiefe und Breite der juristischen Wissenschaft dem flüssigen, plaudernden, flockigen Stil. So nicht! Im Gegenteil: Man muss in der Jurisprudenz nach dem Vorbild der Naturwissenschaften gerade am Anfang zu noch viel unzugänglicheren und komplexeren Ausdrucksmitteln und abstrakteren Begriffsebenen übergehen, damit sich in den Lehrsälen schon im ersten Semester die Spreu vom Weizen trennt. Dann braucht der gelehrte Dozent seine Gedanken in den folgenden Semestern nicht vor juristisch Unbegabten auszubreiten und von mittelmäßigen, didaktikinfizierten Kollegen den Vorwurf zu hören, er lehre nicht gemeinverständlich, nicht didaktisch geschult genug.
Es ist die Eitelkeit und Unerfahrenheit gerade vieler junger Kollegen, die sie glauben machen, der gekünstelte Ausdruck sei wirkungsvoller als der komplexe, ein hingetupfter flauschiger Fall ausdrucksfähiger als das abstrakte Gesetz. Wer, wie ich, von seinen juristischen Ideen und Gedanken wahrhaft bedrängt ist, hat weder Zeit noch Lust, sie im medialen Karnevalszug aufmaschieren zu lassen. Nein danke! Bitte keine Didaktik! Ohne mich!
Liebe Grüße
Ihr Kollege …
Oder finden Sie sich eher in dem Antwortbrief des Jungdozenten wieder, der um didaktische Hilfe gebeten hatte?
Herr Kollege!
Ich bereue zutiefst, Sie um Rat gefragt zu haben. Sie sollten Ihren altbackenen Filter nicht weiter zwischen Ihr verbohrtes Lehr-Bewusstsein und die moderne juristische Lehrwirklichkeit schieben können. Gute Dozenten sprechen mit solcher Klarheit und Einfachheit, dass Leute wie Sie sich nicht vorstellen können, sie sprächen auch tief. Schwerfällige Dozenten-Köpfe wollen die Juristerei dann nicht anerkennen, wenn die Beredsamkeit sie gemeinverständlich macht. Sie betrachten diesen Glanz der Lehre als oberflächlich und leichtfertig, ja seicht. Sie glauben, die lockere, anschauliche Stunde sei verdächtig und nur eine gestelzte, unanschauliche, abstrakte, theoriesierte Stunde gewährleiste juristische Wissenschaftlichkeit. Als ob das Lockere, das didaktisch und rhetorisch Aufbereitete immer im Dienst des Schwindels stünde. Als ob nicht auch der gewinnende, emotionale, elegante, didaktisch aufgeschlossene und redegewandte Dozent die Solidität und Seriosität der juristischen Wissenschaft verbreiten könnte. Soll man vielleicht die verquaste Rede und den hölzernen Stil nur deshalb wählen, um den „Gehalt“ nicht zu gefährden? Nein! Ich glaube, viele Jura-Alt-Dozenten haben einfach nicht die Geduld, ihre Lehreinheiten immer wieder zu schleifen, bis sie klar sind wie ein Bergkristall. Sie sind auch teilweise ganz einfach zu bequem und zu verbohrt.
Ich glaube, die Gründe, warum viele Jura-Dozenten allen „Rechtsdidaktikkram“ als „Gedöns“ verachten, liegen tiefer. Vielen von ihnen fehlt es am pädagogischen Eros! Der gute Dozent liebt seine Studenten, der schlechte liebt nur seine Juristerei! Er schaut nicht auf vom Manuskript, es ist ihm ganz gleichgültig, dass ein Student nach dem anderen den roten Faden verloren hat, dass ein Teil von ihnen längst eingeschlafen ist, ein Teil schon gegangen ist. Unbeteiligt wie ein Denkmal unterrichtet er da und redet vor sich hin und für sich hin und an allen anderen vorbei. Ich kenne Fachkollegen, die es in ihrer Darstellungskunst weit gebracht haben und Jura spannend wie einen Kriminalroman abhandeln – aber sie sind die Ausnahmen. Nicht selten ist der Juradozent ein kluger Kopf, aber ein langweiliger Lehrer. Dozenten, die ihre Themen in gefälliger, ja amüsanter Form behandeln, sind rar und manchen Alt-Kollegen verdächtig: „Was zu schnell in den Geist eindringt, geht nicht in die Tiefe; erst die Schwierigkeit erzwingt die Gründlichkeit“ ist ihr Motto.
Falsch! Es sind doch die Schwierigkeiten groß genug, die in der Juristerei selbst liegen. Auch wenn man die Vorlesungen von ihren abstrakten Inhalten befreite, bliebe noch viel, sehr viel Kopfzerbrechen übrig. Der Weg von „Recht und Gesetz“ ist von Natur aus steil und hart, man braucht nicht noch die Felsen der undurchsichtigen, verschwommenen oder abstrakten Darstellung in den Weg zu wälzen. Die juristischen Bretter sind hart genug, man muss sie nicht noch mit sprachlichem Blech beschlagen, nur, damit der studentische Bohrer keinen Ansatz findet. Es ist ja gerade umgekehrt, als Sie es glauben, Herr Kollege: Die gelungene, durchsichtige Form der Darstellung in der Lehrstunde versperrt nicht das gründliche Verständnis. Im Gegenteil, sie ist der einzige Weg, um dieses Verständnis zu erreichen. Jede tiefgründige zivilrechtliche, strafrechtliche oder prozessuale Problematik ist an sich schon so schwierig, dass die glänzendste Didaktik gerade genügt, sie verständlich zu machen. Wenn der Student seine ganze Kraft und Energie aufwenden muss, um sich durch das Labyrinth Ihrer verschachtelten Bandwurmsätze oder durch Ihren Irrgarten unnötiger rechtswissenschaftlicher Abschweifungen hindurchzuquälen, hat er keine Kraft und Kapazität mehr, um sich ans Ziel der Problematik zu schleppen. Er schaltet ab und geht und hält sich obendrein noch für dumm! Die Sprache der Lehre besteht nicht zu dem Zweck, die gesetzgeberischen Gedanken zu verbergen, sondern vielmehr sie zum Leben zu erwecken.
Auch ich empfehle nicht den Blendstil so manches Fernsehentertainers, sondern jene Ein- und Ausdruckskraft, die auf Klarheit, Stimulanz und Lebendigkeit der Vorlesung beruht. Auch Sie müssen einsehen, dass der lehrende Dozent verpflichtet ist, dem Studenten das Recht so leicht und angenehm zu präsentieren, wie es das juristische Problem eben zulässt. Und dafür brauchen Sie doch ganz einfachDidaktik! Die Gesetze, so wie sie daher stolziert kommen, sind für die Studenten unbekömmlich, man muss sie erst zusammenkochen, damit sie ihnen schmackhaft und verdaulich werden. Gewiss, Gründlichkeit und Eleganz sind zwei Göttinnen, die stets miteinander im Krieg liegen, aber der gute Dozent kann sie mit Hilfe der Rechtsdidaktik miteinander versöhnen. Er ist doch deshalb kein didaktischer Scharlatan! Er meistert den didaktischen Gang seiner juristischen Lehrstunde mit der gleichen Souveränität, mit der er den juristischen Stoff fachlich meistert. Gerade die völlige Beherrschung des juristischen Stoffs erlaubt es ihm, dem juristischen Lehrthema die bestmögliche Verständlichkeit zu geben. Die Vorlesung interessant und spannend, leuchtend und bunt zu gestalten, ist den guten Dozenten der natürliche Drang ihres didaktisch-(aus)gebildeten Geistes, dem aber das Gestaltlose ebenso verhasst ist wie das Gehaltlose.
Ihre Argumente, Herr Kollege, beruhen auf dem einen Grundirrtum: Die lockere Darstellung sei nur auf Kosten des Inhalts möglich. Aber gute Dozenten widerlegen Ihr Vorurteil. Juristische Didaktik ist kein Laster, sie ist ein Vorzug, ja eine Notwendigkeit – Rechtsdidaktik ist keine Halb- oder Unterwelt, die Ihnen in Ihrer wissenschaftlich-juristischen Oberwelt an den Kragen will.
Wilhelm von Humboldt hat einmal gesagt: „Man besitzt die Ideen nur ganz, wenn man sie außer sich dargestellt in andere übergehen lassen kann.“ Rechtsdidaktisch übersetzt heißt das für mich: „Dozent, Du hast das juristische Problem nur dann begriffen, wenn du damit die Köpfe deiner Studenten erobern kannst“.
Wer jemals versucht hat, die Rechtsordnung so darzustellen, dass nicht nur der Fachkollege sie begreift, sondern der blutige Anfänger, der weiß: Eine solche Aufgabe nötigt unerbittlich, sich das System völlig klar zu machen und verhindert damit, Lücken oder Unverstandenes mit Fachtermini zu verkleistern. Der tägliche Kampf um das studentische Verständnis zwingt zu Einfachheit und Klarheit. Die Lehre muss Wissen vermitteln, aber auch Verständnis und Freude und nicht zuletzt Genuss und Vergnügen. Eines der größten Vergnügen für den Studenten ist das Begreifen und für den Dozenten das Daran-mitwirken-können.
Mit Grüßen
Kollege …
EIN TIPP: Besuchen Sie außerdem gerne mal meinen Blog für Jurastudenten (ENTDECKE JURA)!
So werden wechselseitig Blickwinkel erweitert und unterschiedliche Perspektiven auf das Lehren und Lernen eröffnet. Der Dozent kann dem Studenten mal beim Lernen folgen und der Student dem Dozenten mal beim Lehren über die Schulter blicken.
Das nenne ich eine gelungene Partnerschaft in einem erfolgreichen Studium der Juristerei!