Weil speziell die erste Klausur, diese juristische Feuertaufe – aber auch jede weitere – dem jungen Juraanfänger den gesamten Wind aus den gerade am Anfang aufgeblähten Segeln nehmen kann, umgekehrt eine gelungene erste Klausur einen gewaltigen Rückenwind für die weitere Fahrt durch die ersten Semester verschafft. Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als ob man unter dem abgeblendeten Bewusstsein der Didaktik nach dem Motto von 1. Mose, Kapitel 3, Vers 7 verfährt: „Da wurden ihnen die Augen geöffnet und sie sahen, dass sie nackt waren.“ Wann begreift man endlich auch in der juristischen Ausbildung, dass Abschreckung kein Motivationsmittel, die erste Klausur keine Sollbruchstelle ist? Dantes Satz über dem Eingang zur Hölle „Ihr, die Ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren“ sollte nicht als Motto über den Klausurensälen taugen. Und doch ist es leider manchmal so!
Jeder Dozent weiß es: Die erste Klausur bestimmt das studentische Heute und Morgen vom ersten Tag an. An erster Stelle der Motivation steht das erfolgreiche Bestehen der Klausuren. Deshalb muss der Dozent auch sehr bald damit beginnen, mit seinen klausurenorientierten Studenten an der Methode und der Technik des Klausurenschreibens zu arbeiten, damit sie ihn nicht später vorwurfsvoll fragen: „Warum haben Sie mir das nicht früher gesagt?“
Wie vieles gibt es am Anfang des juristischen Studiums doch, was der Student bekommt, aber nicht nötig hat und wie vieles gibt es, was er nötig hat, aber nicht bekommt – dazu zählen auch die Technik und Methodik des Klausurenschreibens.
Nach meinen Erfahrungen machen das Basiswissen etwa 60%, das Spezialwissen etwa 5%, die Klausurentechnik, -methodik und -taktik 35% der Note und damit des Erfolges einer juristischen Klausur aus.
Auch bei der Klausur kann man den Studenten beweisen – wie im bürgerlichen Recht und Strafrecht eben auch –, dass Systemkenntnis und Methodik immer helfen, während die Verwertbarkeit des reinen Wissens manchmal vom Zufall abhängt. Erfolg ist eben planbar! Und man kann ihnen beweisen, dass unsere juristischen Klausuren im Gegensatz zu Prüfungen in Ökologie, Pädagogik, Soziologie und in vielen anderen Fakultäten niemals nur auf trägem Faktenwissen beruhen und nur die Fähigkeiten testen, auswendig zu lernen. Unsere Klausuren überprüfen immer die Fähigkeit zur Transferleistung, also das gelernte juristische Wissen in einen anderen Kontext zu übertragen mittels gelernter Methoden und Techniken. Die meisten Klausuren basieren auf reinem Lehrbuchwissen, unsere auf der Kompetenz, das Wissen konkret auswerten zu können. Ideal, besser geht nicht!
Warum gibt es überhaupt diese „Klausurenteufelei“?, fragen die Studenten häufig ihre Dozenten. Als extreme Forderung könnten sie durchaus die Abschaffung der Klausuren erheben, mit der Begründung, Klausuren seien nur:
Diese Forderung ist so alt, wie es Klausuren und Studenten gibt, und so lange illusorisch, so lange kein besseres Mittel gegen die Trägheit, das Phlegma, die Dickfelligkeit und Schwerfälligkeit des Menschen gefunden ist. Kein Student der Welt würde einen wissenschaftlichen Finger krumm machen, wenn er nicht damit rechnen müsste, zu einem bestimmten Zeitpunkt sein gelerntes Wissen demonstrieren zu müssen. Das versteht wohl auch der bequemste Student! Damit ist der Dozent mit seinen Studenten schon beim ersten Hinsehen beim wichtigsten Zweck einer Klausur angelangt: der Wiedergabe von Wissen. Klausuren haben im Gegensatz zu anderen wissenschaftlichen Arbeiten, wie Referaten, Seminar- oder Hausarbeiten, eher abbildenden Charakter. Der Student soll beweisen können, was er gelernt hat. Die Reproduktion von Wissen steht im Vordergrund. Trotzdem sind juristische Klausuren keine Demonstrationen von Memoriertem, sondern fordern immer auch Transferleistungen, d.h. die Anwendung von Bekanntem auf Unbekanntes, Kreativität, d.h. das Schöpferische in der Konfrontation mit etwas völlig Neuem sowie das dazugehörende methodische Handwerk. Die Formel guter Dozenten
„Eine gute Klausur ist gleich ein Viertel Reproduktion plus ein Viertel Transfer plus ein Viertel Kreativität plus ein Viertel Methodik“
kommt der Wahrheit für eine optimale Aufgabenstellung in einer juristischen Klausur schon sehr nahe.
Allerdings sollte der Dozent sich einmal gemeinsam mit seinen Studenten die Frage stellen, ob nicht die Klausur ohne die in der späteren Praxis selbstverständlichen Hilfsmittel ihre unangemessene Dominanz verlieren sollte. Wann löst ein Jurist jemals einen Fall ohne Nachfrage an den Sachverhalt, ohne kollegialen Austausch oder ohne Blick in den Kommentar? – Antwort: Niemals! Nur im 1. Examen und quälenden Semesterklausuren. Kommentare im Examen? – Ja! Das würde den Stoffdruck und die Angst erheblich mindern.
Die Gründe für das Schreiben von Klausuren muss ich mir und meinen Studenten immer wieder transparent machen. Man muss sie ihnen erklären! Sie lassen sich bei genauerem Hinsehen in zwei Gruppen einteilen.
Gründe, die für das Erreichen der Lehrziele in den Vorlesungen unmittelbar relevant und somit schlechterdings unentbehrlich sind.
Die Klausur erwirkt eine Rückkoppelung über den erreichten Leistungsstand und die erzielten Lernfortschritte bei den Studenten. Sie sollten wissen, wo sie stehen.
Gleichzeitig erreicht die Klausur eine Rückkoppelung über die erreichten Lehrziele bei den Dozenten.
Klausuren sollten Lernanreize für Studenten darstellen. Dabei erscheint es mir aber zumindest zweifelhaft, ob Rückmeldungen bei Misserfolgen für die Motivation ebenso günstig sind wie bei Erfolgen: Rückgemeldete Erfolge sind effektive Anreize zu weiterer Lernanstrengung; rückgemeldete Misserfolge führen jedoch weit häufiger zu Demotivation, Resignation, möglicher Aufgabe und verheerenden Wirkungen auf die Lern- und Leistungsbereitschaft. Daran sollte man als Dozent auch denken, wenn man im Zweifel ist, ob die Arbeit trotz ihrer Mängel noch durchschnittlichen Anforderungen genügt.
Die Studenten interpretieren die Klausurennoten prognostisch in der Weise, dass sie Erwartungen hinsichtlich des weiteren Leistungsfortschritts daraus ableiten und Konsequenzen für ein Verbleiben in der juristischen Ausbildung ziehen.
Klausurennoten können eine realistischere Selbsteinschätzung und erhöhte Anstrengungsbereitschaft bei den Studenten bewirken, bei denen sich falsche Selbsteinschätzung, ein überhöhtes Eigenbild, Oberflächlichkeit und Leichtsinn breitzumachen drohen. Dieser disziplinierende Effekt steht mit der Rückkoppelung in Zusammenhang. Fremdbild und Selbstbild werden durch Klausurennoten angenähert.
Es können durch Klausurenergebnisse Überprüfungen des Lern- und Lehrprozesses anhand der vorgegebenen Studienpläne vorgenommen werden: sinnvolle Planbarkeit, logischer Aufbau, Stoffmenge, effiziente Methodik und Didaktik, Zeitvorgaben, notwendige Differenzierung, richtige Zeit-Stoff-Relationen, gelungene Verschränkungen von Theorie und Praxis.
Dadurch, dass man als Klausurenersteller nicht ausschließlich Reproduktion, sondern daneben eben auch Transferleistungen und Kreativität fordert, erreicht man, die Studenten zu eigenverantwortlicher Gestaltung ihrer Lernprozesse zu erziehen und sie vom sklavischen „Hörer und Mitschreiber“ zu emanzipieren. Der Student erkennt durch solche selbstschöpferischen Klausurenteile, dass er Lernprozesse selbst steuern und verantworten muss, dass stures Skriptenpauken und Memorieren, Pinnen und Abheften allein nicht ausreichen. Dabei müssen aber folgende Prämissen erfüllt sein: 1.: Klare Vorgaben über die Richtung des autonomen Lernens müssen gegeben werden. 2.: Man muss dem Studenten verdeutlichen, sich selbst zu disziplinieren und zu motivieren, eigenständige Lernhandlungen zu vollziehen. 3.: Die Festlegung der Lernziele für Klausuren müssen bekannt sein. Sie kann nicht dem Studenten überlassen bleiben, da er im Meer der Literatur und Prüfungsanweisungen ertrinken wird.
Gründe, die dem alltäglichen Tätigkeitsfeld des Dozenten fernstehen, nicht didaktischen, sondern verdeckten Zwecken dienen.
Die außerdidaktischen Gründe für Klausuren und deren Benotung liegen versteckter, man macht sie sich nicht so bewusst – und dennoch dominieren sie in aller Regel über die didaktischen Funktionen, jedenfalls im Examen.
Auslese – (Entscheidung über Mitnahme im sozialen Fahrstuhl)
Klausurennoten dienen der Auslese befähigter Studenten für gute Examina und damit letztlich für höhere oder gehobene Laufbahnen. Klausuren werden gerade deshalb besonders gefährlich und stressig, weil sie über die Mitnahme im sozialen Fahrstuhl entscheiden. Und Studenten wissen das!
Sozialisation – (Einübung in die Regeln unserer Leistungsgesellschaft)
Neben der Selektionsfunktion kommt der Klausur eine Sozialisationsfunktion zu. Durch die Klausuren wird die nachwachsende „Juristengeneration“ in die Leistungsorientierung unserer Gesellschaft eingeübt. Daneben macht die Notenbürokratie mit einer formal-bürokratischen Behandlung und Beurteilung vertraut, die jedenfalls Beamte lebenslang begleiten wird.
Legitimation – (Wir stehen als Hochschule im Wettbewerb gut da) (Ich habe gut gelehrt)
Leistungserhebungen und Leistungsbeurteilungen dienen schließlich auch der Legitimation der juristischen Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen („wir haben was verlangt“). Sie dienen dem Dozenten („ich habe ihnen was beigebracht“), den Justizprüfungsämtern („wir stehen im Vergleich zu Bayern nicht schlechter da“) und nicht zuletzt juristenausbildungspolitischen Entscheidungen.
Ein kurzer Gedanke zum dozentenspezifischen Problem der Legitimation. Wenn der Dozent sich durch Verweis auf erreichte Noten legitimieren will, sollten ihn folgende Gedanken begleiten: Das Verhältnis zwischen Notenniveau und unterstellter eigener didaktischer Qualität und Eignung ist äußerst widersprüchlich und beruht so manches Mal auf einer Verwechslung von Korrelation und Kausalität. Zwar gelten im Allgemeinen gute Noten als Indiz für erfolgreiches Lehren und Lernen. Zugleich aber wird ein gewisser Anteil an schlechten Noten auch als Ausweis dafür genommen, dass etwas verlangt worden ist. Schlechterer Durchschnitt: harter Hund – Leistung verlangt. Guter Durchschnitt: anbiedernder Anpasser – keine Anforderungen gestellt! Dieser Zwiespalt wird von vielen Dozenten durch die Flucht in die „Gaußsche Normalverteilung“ gelöst. Viele Noten drängen sich am wärmenden Feuer der Mitte im Punktfenster 11-7 zusammen. Ganz deutlich wird das bei den „Auge in Auge“ zu begründenden Referatsnoten, die, da nicht anonym, wesentlich besser ausfallen. Im Übrigen können gute Noten auch auf guten Repetitorenkursen basieren.
Noch ein Gedanke: Sofern Hochschullehrer und Dozenten sich durch Noten zu legitimieren suchen, ist überdies anzumerken, dass Noten von denselben Hochschullehrern und Dozenten vergeben werden, die sich mit ihrer Hilfe selbst nach „oben“ legitimieren wollen. Das ist ein gefährliches und wenig aussagekräftiges Unterfangen, dem allerdings zumindest in den juristischen Examina durch zentrale Prüfungen vorgebeugt wird.
Alle Dozenten sollten es verstehen, ihre Studenten davon zu überzeugen, dass es Hoffnung auf den Klausurenerfolg gibt. Also müssen sie dafür sorgen, dass der Student auch Klausurenerfolge hat. Ist die Klausur zu schwer, so ist das ein verdammter Vertrauensbruch. Wie leichtfertig setzen das viele Kollegen aufs Spiel? Der Verlust an innerer Autorität und Glaubwürdigkeit der Klausuren erstellenden Dozenten wird noch gesteigert, wenn eine Klausur nicht nur zu schwer konzipiert ist, sondern wenn sich am Schluss herausstellt, dass Schwierigkeiten nur zu Prüfungszwecken eingebaut wurden. Dann wird gar nicht geprüft, was didaktisch notwendig zu prüfen ist, sondern man veranstaltet nur ein grausames Spiel für den Studenten. Die Klausur als Falle, in welche der Student unweigerlich laufen muss. Der Schmetterling „Dozent“ sollte sich daran erinnern, dass er auch einmal Raupe war! Denn:
Man muss versuchen, seinen Studenten von Anfang an die Angst vor dem „schwarzen Loch“, dem „Blackout“ in der Klausur zu nehmen, indem man sie zunächst mit der Technik der Klausurenvorbereitung und des Klausurenschreibens vertraut macht, um ihnen dann auch den Blick zu öffnen für eine ausgewogene, effiziente, studienadäquate und vor allem gerechte Benotung von Klausuren.
Denn das Wichtigste, was man als Dozent aufgrund meiner Erfahrungen vermitteln sollte, ist, die Studenten von Ängsten, Hirngespinsten und falschen Vorstellungen zu befreien, welche sich gerade im Anfang ihrer juristischen Ausbildung aufbauen. Mit offenen Einblicken in die „Abgründe“ der Klausurenwelt verleiht der Dozent seinen Studenten die Gemütsruhe, um auf die Gaukeleien dieses Metiers herabzublicken. Und: Sie sollten bei Ihren Korrekturen zwar nicht auf den juristischen Adam und Eva zurückgehen, aber den Aussagewert Ihrer Anmerkungen steigern. „Vgl. Bespr.“ nützt fast gar nichts, denn in der Besprechung erfährt der Student nur, wie einer, der den Stoff komplett beherrscht, die Klausur gelöst hätte. Das hilft ihm aber nicht, da er den Stoff eben (noch) nicht beherrscht.
Es leuchtet jedem Ihrer Studenten sicherlich ein, wenn Sie ihm sagen, dass er keine gute Klausur „in Inhalt, Stil und Aufbau“ schaffen kann, ohne zu arbeiten und dass aus der „Klausurenteufelei“ ohne Fleiß und Disziplin niemals eine „Klausurenhimmelei“ werden kann. Doch das, was einleuchtet, muss durch Sie gefestigt und durch die tägliche Lehrarbeit vertieft werden.
Vor der Klausur sollte man seine Studenten auch einmal aufmuntern.
„Meine Damen und Herren!
Ich möchte Sie, bevor Sie die konkrete Klausurenteufelei bei den Hörnern packen, auf eine tröstende, hoffentlich Ihnen nutzende Weisheit hinweisen: Es gibt mehr Dinge, die uns nur schrecken, als solche, die uns wirklich hart zusetzen, und öfter leidet der Mensch unter einer Einbildung mehr als unter einer Tatsache selbst: dazu zählt auch die Klausur! Ist wirklich etwas so Arges an einer Klausur, oder ist sie mehr verrufen als schlimm? Fragen Sie sich selbst: „Quäle und gräme ich mich grundlos, und mache ich etwas zum Übel, was es gar nicht gibt?“ Seien Sie nicht vor der Zeit unglücklich, da jene Dinge, die Sie, als stünden sie drohend bevor, mit Entsetzen erfüllen, vielleicht niemals eintreffen werden. Seien Sie gut zu sich selbst: Nehmen Sie auch bei der Klausur das Beste an!
Passen Sie auf: Vier Affen wurden in einen Raum gebracht. In der Mitte stand ein Pfahl, an dessen Spitze ein Bündel Bananen hing. Doch kaum kletterte ein Affe hoch, erhielt er von oben eine kalte Dusche. Ein Affe nach dem anderen versuchte sein Glück, einer nach dem anderen ließ nach der kalten Dusche erschreckt und durchnässt von den Bananen ab. Nun wurde ein Affe ausgetauscht. Kaum kletterte der Neue auf den Pfahl, zogen ihn seine Artgenossen zurück. Am Ende des Experiments waren vollkommen andere Affen in dem Raum, die Dusche war längst abgebaut – doch keiner wagte sich den Pfahl hinauf.
Sind Studenten Affen? Natürlich nicht! Aber mit den Klausuren verhält es sich ähnlich, wie mit den Bananen: Genaues weiß man nicht, doch jeder hat eine Heidenangst vor „kalten Duschen“, „Löchern“, „Teichen“ und „Blockaden“.
Viele von Ihnen haben vor der Klausur den Zeitpunkt erreicht, zu dem ihr Gehirn implodiert. Es stürzt in sich zusammen zu einem strukturlosen Haufen konturloser Gesetzesfetzen und Skriptenschnipsel, in dem keine Form mehr haften bleibt. Gutachten, Urteil, Abstraktionsprinzip, Bote, Vertreter, Vertrag, ungerechtfertigte Bereicherung, Täterschaft und Teilnahme – alles, alles durcheinander. Wenn sie über gelernte Begriffe und Rechtsfiguren nachdenken, erhebt sich ein Wüstensturm und begräbt ihre noch junge juristische Welt unter Unmengen von Sand. Sie kennen das Gefühl auch? Wenn man die Unterschiede von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft, Erklärungsirrtum und Inhaltsirrtum je geahnt hat, sind sie jäh wieder verschüttet. Man gerät in einen desparaten Stupor – in eine alles lähmende Verzweiflung. Irgendwann ist sie nun einmal da – die erste Klausur, Sie können vor ihr weder den Kopf in den Sand stecken, noch Ihre Kenntnisse im Sand stecken lassen.“
„Meine Damen und Herren!
Es ist unmöglich, Sie genau gezielt auf die Klausur vorzubereiten, welche Sie schreiben müssen. Noch unmöglicher ist es, alle denkbaren Klausurenfälle auswendigzulernen. Das sind sinnlose Versuche. Aber! Klausurenstrukturwissen und Klausurentechnik zu verankern, das geht schon.
Klausuren gelingen nur, wenn Sie als Student ein methodisches, streng geordnetes Verfahren einhalten, um
Schnell ist die Chance einer guten Klausur verspielt. Eine gute Idee, die nur im Kopf oder auf dem Konzeptpapier geblieben oder die schlecht oder falsch in der Arbeit platziert ist oder die einem erst nach Abgabe einfällt, findet keine Anerkennung. Es hilft nichts: Sie müssen die Angst vor der Klausur durch Übung, intensives Auseinandersetzen mit den Stressoren und mit Hilfe optimaler Klausur-Vorbereitung bekämpfen. Sie müssen zum Souverän der Klausurensituation werden, nicht die Situation über sie. Die genannte „Klausurgelingformel“ soll Ihnen dabei helfen.“
Man sollte sich als Dozent öfter klarmachen, dass „Klausur“ bekanntlich die sprachliche Verkürzung des Begriffs „Klausurarbeit“ ist, eine im verschlossenen Zimmer oder unter Aufsicht abzufassende Prüfungsarbeit, und zurückgeht auf das lateinische Verb claudere (clausum), was (ab-, ver-)schließen bedeutet. Klausur heißt im Ursprung: Abgeschlossenheit, Einsamkeit, Klosterzelle, Behausung eines Einsiedlers. Dies spiegelt damit so in etwa den Gemütszustand wider, den einige Ihrer Studenten vor und während des Klausurenschreibens empfinden: Furcht, Alleingelassensein, Isolation, Absonderung, Vereinsamung, Vereinzelung, Unfreiheit, Angst. „Ich bin ein Desperado, ein Verzweifelter – ein zu jeder Verzweiflungstat Entschlossener!“
Auch sollte man einmal gemeinsam mit seinen Studenten überlegen, warum man eigentlich eine solche Angst verspürt. Vielleicht hilft auch hier die Erkenntnis: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.
Vier Gründe für die Angst vor Klausuren springen sofort ins Auge:
Das sind die Ängste, die jemanden davon abhalten, das Beste aus seinen Fähigkeiten und seinem Wissen im Moment der Klausur herauszuholen, Ängste, die aus einer normalerweise ausgeglichenen Persönlichkeit ein bibberndes Panikbündel werden lassen. Hinzu treten nicht selten im ungünstigsten Augenblick der Klausur unter fliegender Hitze Bilanzdepressionen, wenn mit der Ausbildung verbundene Hoffnungen sich (scheinbar!) als uneinlösbar erweisen und obendrein ein Rechtfertigungsdruck entsteht, dass die juristische Ausbildung trotzdem die richtige Entscheidung war. Zum schlechten Schluss die Überlegung: „Warum denn das alles? Lohnt sich das alles? Ich bin eben ein Loser!“ Weglauftendenzen und eine Reaktion des „Zurück-in-den-Mutterleib-Wollens“ tauchen auf. Das alles muss man sich als Dozent immer mal wieder vor Augen führen.
Im traditionellen Ansatz werden die Ängste vor einer Klausur von manchem Kollegen als Einzelerscheinungen abgetan, als einfacher Fall von Nervosität, der man mit Willensstärke Herr werden könne. Wenn man nur etwas positiv denke und sich konzen-triere, dann solle es gelingen, in der Situation einer Klausur den Pulsschlag, die Denkblockaden und die Beklemmungsgefühle auf ein normales Maß herunterzuzwingen. „Reiß dich doch mal zusammen!“ – „Da muss man durch!“ – „Das haben andere auch geschafft!“ – „Zeig doch einmal Willensstärke!“
Jeder von Ihnen hat in seinem Studium wahrscheinlich selbst die Erfahrung gemacht, dass diese Methode nicht so einfach funktioniert. Wie viele Studien zeigen, ist die Angst eine so starke und geradezu zwangsläufige Reaktionsweise auf die Klausurensituation, dass alleine die Willenskraft als Gegenmittel völlig ungeeignet und wirkungslos ist. Wer die freie Willenskraft hier ins Feld führt, zeigt nur seine Unkenntnis über unsere tiefsten Triebe und Ängste. Es hilft nichts: Man muss diese Angst anerkennen und sie vor den Studenten nicht verniedlichen oder gar verstecken – man muss sie ihnen deshalb auch bewusst machen, damit sie gegen die Angst angehen können. Je mehr die Studenten mit den Dingen, die diese Angstgefühle erregen, vertraut sind, desto weniger stören sie sie. Wem all diese Klausurenszenen und Klagen darüber durch Gewöhnung geläufig sind, dem machen sie nur noch wenig Eindruck. Der Dozent muss dieser unausweichlichen studentischen Situation eine systematische und detaillierte Aufmerksamkeit widmen. Er sollte vielleicht jede seiner Lehreinheiten mehr und mehr von den Klausuren aus denken und gestalten. Auch sollte man die Frage gut im Auge behalten, zu welchem Ausgang die Studienphasen eigentlich führen sollen. Sie führen sämtlich zu den Examenszielen und deren anteilige Einlösung im 1. bis 8. Semester. Von kommunizierten Prüfungsanforderungen geht übrigens die größte Wirkung auf das Lernverhalten aus.
Auch sich selbst sollte man als Dozent vor der Klausur gut im Auge haben. Hier eine kleine Dozentenklausurencheckliste:
Ab jetzt werden Sie nicht mehr gehört. Sie können sagen, was Sie wollen.